„Language is never innocent“, schrieb Roland Barthes (*1915- †1980) im letzten Jahrhundert.
Längst ist uns allen klar, dass Medien die vierte Gewalt im Staat darstellen: Sie setzen Themen, lenken das Licht auf bestimmte Aspekte und wirken auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit ein. Was auf den Titelseiten der Tageszeitungen steht, welche Nachrichten Tagesschau und Co. senden, ist kein Zufall. Medien lenken unsere Aufmerksamkeit gezielt auf bestimmte Facetten eines Sachverhalte und vernachlässigen dadurch andere. „Wie krank ist Christian Lindner wirklich?“ diskutierten der Tagesspiegel und die BILD im Nachgang des 73. Bundesparteitages und der digitalen Rede des Bundesvorsitzenden der FDP. Insbesondere in liberalen Kreisen blickt man daher immer mit einer gewissen Sorge auf das, was im Digital Digest im Nachgang einer Veranstaltung als Rezeption übrigbleibt.

Medien prägen unseren Alltag, unsere Sicht der Dinge und vor allem auch die Informationen, die wir aufnehmen. Im Informationszeitalter umgeben sie uns permanent – nicht ohne Grund empfiehlt man heute „Digital Detox“ und weniger Bildschirmzeit. Das Neutralitätsgebot, welchem sich zumindest seriös agierende Journalisten verschreiben, ist aber insbesondere in Bezug auf Framing und seine „Macht“ eine Farce.

Neurowissenschaften, Verhaltens- und Kommunikationsforschung, die Linguistik sowie die Politikwissenschaft beschäftigen sich seit Jahren mit dem Thema Framing und dem, was es insbesondere für die politische Wahrnehmung in der Gesellschaft bedeutet. Und nicht zuletzt aus diesen Erkenntnissen wird ersichtlich, wie sehr es unseren Alltag prägt und wie wichtig es daher ist, die Frames zu erkennen, sie zu entlarven und eine frame-bewusste Kommunikation zu etablieren.

Um aber über die Rolle der Medien in dieser politischen Kommunikation sprechen zu können, muss erst einmal die Grundlage geschaffen werden: Was ist Framing überhaupt?

Menschen können Fakten nicht komplett rational und objektiv verarbeiten, da sich das Gehirn aufgrund seiner Beschaffenheit immer an Mustern und Deutungsrahmen, bereits vergangenen Empfindungen und Erfahrungen orientiert: sogenannte Frames. Fakten bekommen erst durch das Anwenden eines Frames ihre Relevanz und können erst durch diesen verarbeitet werden, denn Frames bedingen, wie schnell und gut das Gehirn etwas verarbeiten kann.

Der Frame fungiert dabei grundlegend als Deutungsrahmen, der die Realität für uns begreifbar macht, verschiebt aber gleichzeitig auch in gewissem Maße die Fakten. Er bedient sich dabei einer speziellen Form von Metaphern, den sogenannten Primärmetaphern. Diese sind Metaphern, die in uns unmittelbare Assoziationen auslösen, sodass unser Gehirn seine maximale Erfassungskraft anwenden kann. Frames sind letztendlich Muster, in die wir die Realität einpassen: sie machen Dinge kontrastschärfer und erleichtern uns die Wahrnehmung. Reize und Eindrücke sind für unser Gehirn dann besonders leicht und schnell zu verarbeiten, wenn sie in einen Frame passen, der zuvor aktiviert wurde. Durch neuronale Simulation versucht unser Gehirn das nachzuempfinden, was der Frame vorgibt und beeinflusst so alles weitere Denken.

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Die Macht dieser Worte und Frames wird an Beispielen wie der Flüchtlingswelle/-krise oder der Klimakrise deutlich. Die negative Konnotation dieser Begriffe dürfte uns allen hinlänglich bekannt sein. Bedeutsam ist hier die Tatsache, dass Worte als „semantische Wundertüten“ fungieren: Hinter jedem Wort steckt viel mehr, als es den Anschein macht. Alles, was wir zu einem Wort oder einer Idee, einem Begriff, wissen, wird aktiviert, sobald wir es hören und prägt bzw. färbt unser Bild der Situation nachhaltig.

Im Falle der sogenannten „Flüchtlingswelle“ dürfte bei einem Blick in die damaligen Schlagzeilen und Berichterstattung schnell auffallen, dass die Primärmetapher hierbei das Wasser war. „Flüchtlingswelle“, „Flüchtlingsströme“, „Flüchtlingsflut“. Die Flüchtenden wurden dadurch insofern entmenschlicht, als dass sie mit Wasser, Überschwemmungen und Fluten, letztlich also Naturkatastrophen gleichgesetzt wurden. Dadurch haben wir einen Teil unserer Empathie ihnen und ihrer Situation gegenüber abgelegt. Zusätzlich ist eine Flut grundsätzlich etwas, wovor wir uns natürlich schützen wollen, da sie Zerstörung mit sich bringt. Das wiederholte Wasser-Framing sorgt dafür, dass alle Handlungen im Zusammenhang mit der Situation der Flüchtlinge unter diesem Frame, dieser Interpretation wahrgenommen werden. Genauso funktionieren „Reinheitsmetaphern“, die insbesondere in rechten Kreisen immer wieder verbreitet werden. Etwas, das nicht rein ist, ekelt uns an. Wenn man entsprechende Abwehr und Ekel erregende Frames verwendet, um die Flüchtenden zu beschreiben, wird das Gehirn dazu konditioniert, sich vor dieser Menschengruppe zu ekeln und abwehrend zu reagieren.

Dem steht der aktuelle Umgang mit Flüchtenden aus der Ukraine konträr gegenüber: Das Framing hier pocht auf Solidarität und Zusammenhalt, die Verteidigung demokratischer Werte. Und siehe da: das Verhalten der Bevölkerung ist grundverschieden zu dem von 2015. Dabei muss keine Monokausalität zwischen dem Framing und der anderen Umgangsweise in der Bevölkerung bestehen, aber es ist wahrscheinlich, dass es zu den Key-Faktoren gehört. Daneben kann und sollte man weitere Variablen wie das grundsätzliche Lernen aus der damaligen Situation zur Erklärung der veränderten Verhaltensweise heranziehen.

„Language is never innocent.“


Insbesondere im Zusammenhang mit der medialen Macht in unserer Gesellschaft, nicht nur durch den klassischen Journalismus, sondern auch durch Soziale Medien und Fake News, lässt sich empirisch beobachten, wie wir als Menschen durch wiederholte Sprachmuster unterschiedliche Realitäten für einen Fakt entwickeln. (Randnotiz: Was ist das Erste, woran wir denken, wenn wir Fake News hören? Richtig: Donald Trump.) Insbesondere negatives Framing wie Klimakrise und Flüchtlingsflut führen zu einer anderen Wahrnehmung der nüchternen „Fakten“, die sich ideologisch sehr gut aufladen lassen.

Stichwort Dauerbeschallung durch Soziale Medien: Kaum einer, insbesondere in den jüngeren Generationen, entkommt dieser Dauerkommunikation und den Frames, die dort regelmäßig verwendet werden. Was den meisten Menschen fehlt und die Problematik des Gefangenseins in dieser medialen Kakophonie verschärft, ist die Tatsache, dass viele Menschen das Framing nicht als solches erkennen, die Muster nicht hinterfragen und nicht genügend digitale Bildung erhalten haben, um das Ganze entsprechend zu entlarven.

Das gefährliche an Framing ist nicht zuletzt, dass, wenn sich ein bestimmtes Framing in unserem Denken festgesetzt hat, man mit Fakten kaum mehr dagegen ankommt – außer es legt sich ein stärkeres, anderes Framing darüber.
Ein Framing zu negieren ist dabei weder sinnvoll noch hilfreich, denn dadurch wird der neuronale Frame im Gehirn genauso aktiviert. Man schlägt also unbewusst immer wieder in dieselbe Kerbe: das, was die Menschen im Kopf haben, festigt sich und man kauft sich in das Narrativ des, politisch gesprochen, Gegners ein.

Wir müssen uns davon verabschieden, dass es „neutrale“ Sprache gibt. Deshalb muss die jüngere Generation, aber auch sukzessive die älteren, dazu befähigt werden, das Medium zu nutzen – nicht, sich umgekehrt vom Medium benutzen zu lassen: Digitale und mediale Bildung sind dabei das A und O. Nicht zuletzt an Hochschulen und Universitäten, aber auch insbesondere an Schulen braucht es Pädagogen, die mit den jungen Menschen Digital Literacy erlernen, damit sie den Medien, die sie nutzen, nicht ausgeliefert sind, sondern mit Fake News und entsprechenden Frames umgehen lernen – je früher, desto besser! Aber auch die Medien sollten sich ihrer Macht bewusst sein und verantwortlicher damit umgehen, statt reißerische Headlines für Klicks zu missbrauchen: Denn wie häufig steckt in einem Artikel am Ende nur wenig von der überzogenen Überschrift drin?

Seminare, die an Abendschulen gehalten werden, an weiterführenden Schulen, an Universitäten oder auch durch Stiftungen wie die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sollten unsere Antwort auf den in den letzten Jahren zunehmend aufgeheizten Diskurs sein. Digital Literacy bedeutet Kompetenz im Umgang mit dem Phänomen des Framings und Kompetenz bedeutet Schutz. Die Bühne bei diesem Thema darf nicht denen überlassen werden, die Framings meisterhaft anwenden, um Meinungsmache zu betreiben und unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte zu lenken – genauso wenig darf sie aber jenen überlassen werden, die das Glück haben, durch eine akademische Ausbildung vielleicht etwas bewusster damit umzugehen und Framing als solches zu erkennen. Wir brauchen eine neue Aufklärung: Eine Aufklärung über die Tricks und das Framing, die die Presse tagtäglich verwendet und wie wir mit ihnen umgehen sollten. Wir können die Welt ohne Frames nicht verstehen, aber wir sollten die Welt durch unsere eigenen Frames verstehen lernen und uns nicht von fälschlich gesetzten Leitplanken den Weg weisen lassen.