Der vom 17.06.2022 bis zum 19.06.2022 stattfindende Kongress des Kasse des LHG e.V. in Würzburg beschäftigte sich mit der Frage „Wie international sind unsere Hochschulen?“. Thema des aus BMBF-Mitteln geförderten Kongresses war die internationale Ausrichtung der deutschen Hochschulen und die Verzahnung des europäischen Hochschulsystems. Teilnehmer aus ganz Deutschland haben sich zusammengefunden, um nicht nur diese Themenbereiche ausführlich zu diskutieren. Ein weiteres wichtiges Thema war zudem die aktuelle Situation ukrainischer Studierender, für die mögliche Hilfsmaßnahmen entwickelt wurden. Im Folgenden fassen wir die Diskussionslinien sowie die entstandenen Positionen und Forderungen zusammen. Außerdem bieten wir eine Sammlung von Veranstaltungsideen, welche im Rahmen der Diskussionen entstanden sind und an den Hochschulen der Teilnehmer durchgeführt werden können.

Studierendenmobilität in Europa

Die Studierendenmobilität, insbesondere das Erasmus-Programm, wird als wichtige Stütze für den interkulturellen Austausch zwischen den Ländern der Europäischen Union und als Maßnahme mit hohem Wert für die persönliche Weiterentwicklung der teilnehmenden Studierenden, anerkannt. Aus diesem Grund soll die Umsetzung immer weiter optimiert werden, sodass eine Teilnahme für die Studierenden umsetzbar und ins Studium einfach integrierbar ist. Durch ein Auslandssemester fällt ein hoher Arbeitsaufwand an, welcher der Studierende sowohl vor als auch während und insbesondere nach dem Aufenthalt hat. Das größte Problem für Studierende bei einem Erasmus-Austausch ist die Anrechnung der im Ausland absolvierten Module an der Heimathochschule. Unterschiedlichen Notensysteme, eine kleine Diskrepanz in der Verteilung von ECTS oder eine inhaltlich ungenaue Beschreibung des Moduls können die Arbeit eines Semesters im Ausland zunichtemachen, da sie dazu führen können, dass eine Anrechnung nicht möglich ist und das Modul stattdessen an der Heimathochschule wiederholt werden muss. Es wurde festgestellt, dass die Bürokratie der Learning-Agreements verringert werden muss und eine Flexibilisierung der anrechenbaren Leistungen notwendig ist, um Studierenden die Chance zu geben ein bereicherndes Auslandssemester zu erleben. Der Austausch zwischen Hochschulen soll weiter gestärkt werden, sodass für alle Studierenden, auch an kleineren Hochschulen eine Teilnahme an attraktiven Standorten möglich ist.

Veranstaltungsideen für die Hochschulen:

Um die Studierendenmobilität an Hochschulen attraktiver zu machen, haben wir zwei Veranstaltungsformate entwickelt: Zum einen können sich Gruppen an Hochschulen an der Werbung für ein Auslandssemester und bei der Aufklärung über den entstehenden bürokratischen Aufwand beteiligen, indem sie Vertreter der Hochschulen und ehemalige Erasmus-Studierende zu einer Veranstaltung einladen, bei der die Vernetzung und Lebenschancen im Studium im Zentrum stehen sollen. Zum anderen wurde eine Veranstaltung, die sich mit Erasmus selbst beschäftigt, vorgeschlagen. Bei dieser Veranstaltung soll die Geschichte des Erasmus-Programmes dargestellt werden, die Ziele, die damit verfolgt werden, beschrieben und dann die momentane Situation des Programms anhand von Daten evaluiert werden. In einer Diskussionsrunde kann im Anschluss eine Ausarbeitung konkreter Ziele und Maßnahmen an der entsprechenden Hochschule erstellt und mit Studierendenparlament und Hochschulleitung geteilt werden. Dabei soll es nicht nur um die Studierenden gehen, die von dieser Hochschule aus ins Ausland gehen (Outgoings), sondern auch um diejenigen Studierenden, die aus einem anderen Land an diese Hochschule gekommen sind (Incomings).

Strukturelle Herausforderungen

Aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Systeme kommt es innerhalb der Europäischen Union bei der Kommunikation und Mobilität sowohl für Studienaufenthalte als auch für grenzübergreifendes Arbeiten zu Problemen. Als einer der Punkte wird die mangelnde Vergleichbarkeit dargestellt, die bereits oben Erwähnung findet. Für diese Problematik sollte die Einführung eines EU-einheitlichen ECTS-Plans in Erwägung gezogen werden. Die Verwaltungsprozesse sollen vermehrt Kommunikationspunkt in der ganzen EU werden, um möglicherweise Prozesse anpassen oder optimieren zu können, mindestens aber über die Unterschiede und einen guten Umgang mit diesem Bescheid zu wissen. Des Weiteren wurden die Folgen der COVID-19-Pandemie auf die Ausstattung der Hochschulen diskutiert. In den Mitgliedsstaaten der EU hat die Pandemie für eine Förderung der digitalen Lehre gesorgt. Diese Förderung war unterschiedlich ausgestattet und unterschiedlich weitreichend. Auch der Umgang mit den Folgen der Pandemie ist in jedem der Länder anders. Diese Tatsache sorgt für eine Verstärkung der Diskrepanz, welche wieder angeglichen werden sollte, indem die digitale Lehre in allen Ländern auf ein ähnlich hohes Niveau gehoben wird.

Veranstaltungsideen:

In einer Veranstaltung kann über das ECTS-System, dessen Herkunft sowie Probleme und Ziele des Systems diskutiert werden. Die Verwaltungen der Hochschulen sollen eingeladen werden, um zur Kommunikation über Verwaltungsabläufe mit Partnerhochschulen zu berichten und möglicherweise Anstöße aus der Studierendenschaft für Verbesserungen im Sinne der Studierenden mitnehmen.

In einer weiteren Veranstaltung kann über den Stand der Digitalisierung in unterschiedlichen Ländern der europäischen Union gesprochen werden. Dabei sollten Länder mit einer besonders geringen (bspw. östliches Mitteleuropa und Südosteuropa) und einer besonders hohen Digitalisierung (bspw. die baltischen Staaten oder Skandinavien) mit Deutschland verglichen werden. Unterschiede in der Förderung, in der Haltung der Hochschulen und der Annahme durch Studierende sollen dabei thematisiert werden, um Konsequenzen für das Handeln der eigenen Hochschule ziehen zu können.

Ukrainische Studierende

Die Teilnehmer haben nach einer ausführlichen Diskussion Texte erarbeitet und diese inhaltlichen Punkte zu einem gemeinsamen Text zusammengefügt: 

Studierende, die nach Deutschland geflohen sind, sollen schnellstmöglich in Sprachkurse eingebunden werden und die Fähigkeiten erlernen, um ihr Studium in Deutschland weiterführen oder auch abschließen zu können. Die deutschen Hochschulen und Studienkollegs sollen dabei in großem Umfang finanziell und personell unterstützt werden, den Studierenden sprachliche und fachliche Integration durch eigens angebotene Sprach- und Integrationskurse zu ermöglichen. Privat angebotene Sprachkurse sind zu begrüßen. Hochschulen haben das Potential, sich in diesem Bereich stärker einzubringen, z.B. durch Angebote an germanistischen Lehrstühlen oder von Studierenden und Dozenten des Faches “Deutsch als Zweitsprache”. Durch die Kurse soll für geflüchtete Studierende kein finanzieller Aufwand entstehen. Notwendige Sprachprüfungen zur Immatrikulation sollten nachgereicht oder durch anderweitige Nachweise, bis Studienabschluss ersetzt werden können. Stabilisierung und Führungsqualitäten beim Wiederaufbau der Ukraine zu sorgen.

Für eine Fortsetzung des Studiums ist die Anerkennung der bisher erbrachten Leistungen notwendig, allerdings dauert diese bisher viel zu lange und bleibt oftmals unvollständig. Die Liberalen Hochschulgruppen fordern eine Beschleunigung der Verfahren zur Anerkennung der bisherigen Studienleistungen und eine großzügige Bewertung, ob Module der ukrainischen Hochschule anerkannt werden können. Die entsprechenden Formulare sind ins Ukrainische und Russische zu übersetzen. Ein Einstieg ins Studium ist Geflüchteten nicht zwingend zum Start des Studiums möglich, weshalb diesen Personen den Einstieg ins Studium auch innerhalb des Semesters ermöglicht werden soll. Wir bitten Hochschulen um die Einrichtung von Sonderangeboten in Form von Tutorien und Klausurvorbereitungskursen, damit diese Studierenden das Semester abschließen und trotz aller Widerstände bestehen können.

Schüler, die bei Ausbruch des Krieges kurz vor ihren Abschlussprüfungen standen, können auf Basis der abgeschlossenen Bewertungen der Oberstufe oder eines Äquivalentes an einer Hochschule zugelassen werden. Allerdings sprechen wir uns gegen die Idee aus, Menschen ohne eine Schulbildung mit einem Abituräquivalent bzw. einer abgeschlossenen Oberstufe an Hochschulen aufzunehmen. Sie sollen auf Grundlage ihres bisherigen Bildungswegs und einer Eignungsprüfung in die für sie angemessene Schulart und Stufe geschickt werden.

Aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland sollen Ansprechpartner, die ihre Hilfe ehrenamtlich den Hochschulen anbieten, für ukrainische Studierende zur Verfügung stehen, die Geflüchteten bei der Überwindung von Sprachbarrieren, bei der Bewältigung der Bürokratie, der Wohnungssuche und weiteren Problemen im studentischen Alltag unterstützen. In diesem Bereich ausgebildete Personen sollen eine angemessene Vergütung erhalten, insofern der Hochschule dies möglich ist. Die Vergütung muss nicht zwingend finanzieller Natur sein, sondern kann beispielsweise in Form von Credit Points erfolgen. Beispiele für solche Angebote finden sich in Polen, Österreich und der Tschechischen Republik und sollen mit Rücksicht auf strukturelle Unterschiede in Deutschland angepasst und umgesetzt werden können.

Ferner setzen wir uns dafür ein, dass bestehende Universitätspartnerschaften mit russischen Universitäten ausgesetzt werden.

Diese Hilfsangebote sollen nicht nur ukrainischen Studierenden offenstehen, sondern auch Geflüchteten anderer Nationen. Die Liberalen Hochschulgruppen fordern darüber hinaus eine Ausweitung der psychosozialen Betreuung auf geflüchtete Studierende. Diese Ausweitung muss mit einer Steigerung des Personaleinsatzes verbunden werden. Besonders in diesem Bereich ist es wichtig, Kooperationen mit ukrainischsprachigen Psychologen einzugehen.

Für Forschungsprogramme deutscher Hochschulen, welche in Kooperation mit ukrainischen Hochschulen stattfinden, sollen Lösungen gefunden werden diese zu verlängern oder an andere Forschungsprojekte anzugliedern. Ukrainischen Wissenschaftlern, die nach Deutschland geflohen sind, soll ermöglicht werden, an einer deutschen Hochschule die Forschung fortzusetzen.

Für ukrainische Studierende und Forschende, die schon vor dem Krieg an einer deutschen Hochschule studiert oder geforscht haben, sollen mit den Studierendenwerken individuelle Lösungen gefunden werden. Stipendien oder Auslandssemester sollen in dem Fall mit entsprechend bereitgestellten Mitteln verlängert werden.

Bund und Länder sollen für diese Maßnahmen den Hochschulen bedarfsorientiert, angemessen und zweckgebunden verstärkt finanzielle Mittel aus ihren Haushalten bereitstellen.

Sobald die Hochschulen ihren Betrieb wieder sicher aufnehmen können, sollen ukrainische Studierende bei der Kommunikation mit studieren wollen, bei der Kommunikation mit ihren Heimatuniversitäten unterstützt werden, damit auch dort die Anerkennung der in Deutschland erworbenen Bildung und erbrachten Leistungen vorgenommen werden kann. Natürlich sollen die ukrainischen Studierenden ihr Studium auch in Deutschland fortsetzen und abschließen können.

Veranstaltungsideen:

An den Hochschulen vor Ort möchten die Teilnehmer Veranstaltungen durchführen, die sich sowohl mit der Situation der ukrainischen Geflüchteten als auch mit der Situation anderer Geflüchteter auseinandersetzen sollen. Besondere Aufmerksamkeit soll bei den Veranstaltungen auf den Austausch von best-practice-Beispielen gesetzt werden. Deswegen möchten Teilnehmer an ihren Hochschulen Veranstaltungen mit Vertretern anderer Hochschulen durchführen. Als Referenten sollen Vertreter der Hochschulen dienen, die ein spezielles Programm für (ukrainische) Geflüchtete auf die Beine gestellt haben oder an denen der Umgang mit Flüchtlingen besonders lobenswert ist. Nachdem diese Personen über die Situation an ihren jeweiligen Hochschulen berichtet haben, soll diskutiert werden, ob die Maßnahme auf die eigene Hochschule übertragen werden soll, und wenn ja, wie diese umgesetzt werden kann.