Der Großteil aller Doktorandinnen und Doktoranden arbeitet nach wissenschaftlichen Standards. Ziel muss sein, dass dies so bleibt, und die Zahl der schwarzen Schafe, die durch Plagiate betrügen, sinkt.

In den vergangenen Jahren sind viele Vorschläge dazu gemacht worden. Die aus meiner Sicht sinnvollsten und erfolgversprechenden Ideen habe ich hier zusammengetragen. Sie stammen aus meinem Buch „Plagiate in der Wissenschaft“, das 2022 im transcript-Verlag erschienen ist.[1]

Unberücksichtigt bleiben bei dieser Zusammenfassung alle fachspezifische Anregungen beispielsweise für Chemie und Medizin. Auch ganz allgemeine Forderungen, etwa, nach einer besseren Finanzierung des Hochschulsystems, habe ich weggelassen. Zwar hat die Zahl der Plagiate auch mit Geldnot der Universitäten zu tun, weil dadurch Betreuung und Kontrolle nachlasen. Aber kurz- und mittelfristig können andere Maßnahmen eine ebenso große Wirkung bei der Bekämpfung von Täuschungen entfalten.

Wer plagiiert, täuscht; wer viel plagiiert, täuscht vorsätzlich.

Die Hauptverantwortung für Wissenschaftsbetrug liegt bei den Doktorandinnen und Doktoranden selbst. Zum einen gibt es zu viele davon, gemessen an der Gesamtbevölkerung mehr als in jedem anderen Land der Welt; zum anderen sind manche nicht geschult in guter wissenschaftlicher Praxis. Umfragen zeigen, dass sich viele Doktorandinnen und Doktoranden überfordert fühlen. Zwar ist es gut, dass in Deutschland viel geforscht wird. Doch viele Vorhaben sind, bei Lichte betrachtet, wissenschaftlich unerquicklich. Der Doktorgrad sollte am besten nur von jenen abgestrebt werden, die eine wissenschaftliche Karriere planen. Das heißt, dass Karrierepromotionen, etwa von Politikerinnen und Politikern, zurückgefahren werden sollten.

Dass forschungsstarke Fachhochschulen das Promotionsrecht verliehen wurde, begrüße ich. Manchmal sind Bedingungen und Betreuung dort besser als an Universitäten. Bisher hat die Wissenschaftsplattform „VroniPlag Wiki“ (https://vroniplag.fandom.com/de/wiki/Home) keine Plagiate in Dissertationen gefunden, die an Fachhochschulen betreut wurden. 

Die Verantwortung der Doktoreltern

Weniger Provierende!

Reduziert die Zahl Eurer Promovierenden! Nehmt nur so viele Doktorandinnen und Doktoranden an, wie Ihr wirklich sinnvoll betreuen könnt. 

Betreut nach Vereinbarung!

Betreuungsvereinbarungen sollten Standard sein – bisher haben sie, laut „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021“ nur drei Viertel aller Promovierenden. Schon 2011 schlug der Wissenschaftssoziologe Stefan Hornbostel im Deutschen Bundestag solche Kontrakte vor. Darin sollte neben Grundsätzlichem, etwa der Einhaltung von Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, auch die regelmäßige Präsentation der Arbeitsfortschritte festgelegt werden. Zudem sollten sich Promovierende bereit erklären, Trusted Timestamping zu nutzen, und ihre Arbeit mit Hilfe von Plagiatssoftware und anderer Künstlicher Intelligenz überprüfen zu lassen. Dazu wird mit Hilfe eines Zeitstempels ein Dokument, aus dem eine Veröffentlichung werden soll, regelmäßig in der Blockchain abgelegt und dort, in all seinen Fassungen, dauerhaft und manipulationssicher archiviert. Auf diese Weise lässt sich die Entstehung eines Fachartikels über Monate hinweg dokumentieren, von der Eingabe der Rohdaten eines Experiments bis zur Freigabe der finalen Veröffentlichung.

Schöpft die Notenskala aus!

An deutschen Hochschulen werden Doktorarbeiten überdurchschnittlich gut bewertet: Die am häufigsten vergebenen Noten sind „summa cum laude“ („mit Auszeichnung“) und „magna cum laude“ („sehr gut“), die schlechteste Note „rite“ („ausreichend“) ist der Ausnahmefall. Die Notenskala wird somit bei Weitem nicht ausgeschöpft, auch wenn die Vergabe in den Fächern und den Hochschulen stark divergiert.

Das stellte bereits 2011 die Friedrich-Ebert-Stiftung bei einer Konferenz zum Thema „Plagiatsfälle in der Wissenschaft“ fest. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mehr Transparenz wäre zum Beispiel dadurch möglich, dass Hochschulen in jährlichen Statistiken die Notenvergabe öffentlich darstellen.

Aber: externe Promotionen sollten weiterhin möglich sein!

Neben internen Promotionen sollten auch weiterhin externe Promotionen möglich sein. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen geben Externe wichtige Impulse aus der Praxis, zum anderen sind externe Promotionen in manchen Fächern die Regel und funktionieren gut.

Die Verantwortung der Hochschulen

Übt gute wissenschaftliche Praxis ein!

„Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis müssen Studierenden bereits zu Beginn ihres Studiums vermittelt werden.“ Mit dieser so einfachen wie wahren Feststellung beginnen die Empfehlungen einer Konferenz zum Thema „Plagiatsfälle in der Wissenschaft“ der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2011. „Ziel sollte sein, dass die Absolventen und Absolventinnen über das notwendige Bewusstsein und die erforderlichen Fähigkeiten einer guten wissenschaftlichen Praxis verfügen. […] Die Hochschulen haben die Aufgabe, die Studiengänge entsprechend zu strukturieren, klare Regeln guter wissenschaftlicher Praxis offensiv zu kommunizieren und die Mitglieder auf ihre Einhaltung zu verpflichten.“ 

Bild von Felix Wolf auf Pixabay

Dabei darf es mit einer einmaligen Veranstaltung zu Studienbeginn nicht getan sein. In einem Aufsatz aus dem Jahr 2015 fordern Denis Basak, Lars Gußen, Manuel Köchel, Marc Reiß, Roland Schimmel, und Christine Schliwa „ein Lernen in Schleifen oder konzentrischen Kreisen“[2].

„Im Sinne eines constructive alignment müssten [dabei] schon zu Beginn des Studiums Hausarbeiten geschrieben werden, weil es sonst an jeder Form fehlt, den Leistungsstand bezüglich wissenschaftlicher Arbeitstechniken zu prüfen. Schließlich müsste rechtzeitig der sich im weiteren Verlauf des Studiums wandelnde Anspruch deutlich gemacht werden: Wer die ersten Pflichthausarbeiten hinter sich hat, darf nicht mehr auf die anfängliche Nachsicht zählen.“

Hinterlegt die Gutachten zu Doktorarbeiten!

Gutachten zu Doktorarbeiten sollten an Hochschulen hinterlegt werden, damit sie – im Falle einer Überprüfung der Arbeit – hinzugezogen und hinterfragt werden können. Dies würde auch dazu führen, dass die Gutachten hochwertiger werden und die Korrektur der Dissertationen an Qualität gewinnt. 

Stärkt Eure Ombudspersonen!

Die Ombudspersonen für gute wissenschaftliche Praxis an den Hochschulen sollten aktiv die Qualitätssicherung voranbringen. Sie benötigen Personal, Ausstattung und politische Unterstützung innerhalb der Institution. An einigen Hochschulen, wie in Göttingen, ist das schon gut gelungen.

Achtet auf Qualität statt Quantität!

Die Berufungskommissionen der Hochschulen sollten nicht mehr nach Quantität urteilen, wenn sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten beurteilen, sondern nach Qualität. Daher sollten nur die fünf besten Arbeiten ausgesucht und beurteilt werden, nicht die Gesamtanzahl der Publikationen. Dies fördert qualitative Forschung und verhindert ein Aufblasen von Veröffentlichungslisten durch Zweitverwertungen, Nonsenspapiere und Plagiate. 

Bild von Jens P. Raak auf Pixabay

Formalisiert die Annahmeprozeduren für Doktorandinnen und Doktoranden!

Jede Annahme eines Doktoranden oder einer Doktorandin sollte nachvollziehbar begründet sein. Dazu braucht es ein Aufnahmeverfahren, das nicht formalisiert und bürokratisch, aber fakultätsöffentlich und transparent ist. Bei Abschluss dieses Verfahrens wird die promovierende Person in die Statistik aufgenommen, die an die Landesregierung gemeldet wird. Individualpromotionen sollten weiterhin möglich sein.

Beruft Zweitgutachter aus anderen Universitäten!

Mindestens ein Gutachter der Arbeit sollte aus einer anderen Universität stammen. Das verhindert Patronage und Kungelei. Um gleichzeitig der ausufernden unentgeltlichen Gutachtertätigkeit entgegenzuwirken, sollte die Arbeit entlohnt werden. Dafür wäre auch eine Gebühr für das Promotionsstudium zulässig. In sozialen Härtefällen müssten Universitäten oder Stiftungen die Kosten übernehmen. 

Verpflichtet zur digitalen Einreichung!

Promovierende sollten verpflichtet werden, eine digitale Version ihrer Arbeit bei der Universität einzureichen. Das kann helfen, Plagiate zu erkennen, und händische oder automatisierte Prüfungen durchzuführen. An vielen Universitäten ist das bereits Pflicht oder Praxis; aber nicht an allen.

Informiert über Gradentzüge!

Über jeden Entzug eines Doktorgrades müssen die Hochschulen öffentlich berichten. Das ist datenschutzrechtlich zulässig. Es bedarf einer Pressemitteilung und eines Hinweises im Bibliothekskatalog, damit der Hochschulschriftenvermerk geändert wird. Zudem muss die Hochschule auch die Deutsche Nationalbibliothek und die fünf deutschen Verbundkataloge informieren. Hierzu kann ein einheitliches Meldeverfahren entwickelt werden, an dem auch die Schweiz und Österreich beteiligt sein sollten. Zuletzt sollten auch die Verlage informiert werden, in denen plagiatsbehaftete Arbeiten erschienen sind. 

Informiert über Noten!

Die Hochschulen sollten verpflichtet werden, die erteilten Zensuren, zumindest in aggregierter Form, jährlich mitzuteilen. Dadurch ließe sich die Notenvergabe an den einzelnen Hochschulen in Deutschland vergleichen.

Bietet Alternativen an!

Um zu verhindern, dass etwa Juristinnen und Juristen statt in Deutschland eine Dissertation vorzulegen, im Ausland einen kostspieligen Master (LL.M., etc.) anstreben, sollten die Hochschulen neue Masterstudiengänge anbieten. Diese können die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit im Curriculum enthalten.

Die Verantwortung der Landespolitik

Stoppt falsche Anreizsetzungen!

Die teilweise noch anzufindende Praxis, wonach die Zahl abgeschlossener Promotionen ohne jede Würdigung der Qualität eine Rolle bei Mittelvergaben stimmt, muss beendet werden. Der Soziologe Stefan Hornbostel sagte bereits 2011 im Deutschen Bundestag, solche Systeme belohnten lediglich einen hohen Durchsatz an Doktorandinnen und Doktoranden.

Registriert alle Promovierenden!

Wir brauchen eine zentrale Statistik, die alle Promovierenden in Deutschland erfasst – schon während ihres Promotionsvorhabens, nicht erst bei erfolgreichem Abschluss der Arbeit. Entsprechende Ansätze wurden 2016 bei der Novellierung der Hochschulstatistik umgesetzt. Seit 2019 hat sich die Statistik noch einmal verbessert, ist aber weiterhin unvollständig. Die Bundesländer sollten die Daten aller Hochschulen zusammentragen und der Kultusministerkonferenz weitermelden. Dann wären belastbare Aussagen über die Zahl auch der Individualpromovierenden, die Abbrüche von Promotionen, und die Promotionsdauer möglich.

Lehrt wissenschaftliches Arbeiten in den Schulen!

Schon in der Schule sollte deutlich gemacht werden, dass Urheberrecht und Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis zu beachten sind. In vielen Schulen, unter anderem in Baden-Württemberg, aber auch in Luxemburg (z.B. Lycée Ermesinde Mersch) funktioniert das schon ganz gut – aber eben nicht flächendeckend. 

Führt eine Publikationspflicht für Habilitation ein!

Interessanterweise besteht für die Habilitation keine Veröffentlichungspflicht, wie dies bei der Promotion auf Grundlage eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz (KMK) aus dem Jahr 1977 der Fall ist. Das sollte sich ändern. Auch Habilitationsschriften sollten von der Öffentlichkeit gelesen und diskutiert werden können.

Schafft überregionale Untersuchungskommissionen!

Stephan Rixen äußerte diesen guten Vorschlag am 19. Januar 2020 in der F.A.Z.: „In Anlehnung an die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur wissenschaftlichen Integrität könnte nach ausländischem Vorbild das bisherige System der Selbstkontrolle so verändert werden, dass Einrichtungen einen Verdachtsfall an eine (über) regionale Untersuchungskommission abgeben können, die den Fall aufklärt und eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen ausspricht. Das Letztentscheidungsrecht bliebe allein bei der betroffenen Einrichtung, zum Beispiel einer Universität. Allerdings wäre sie, auch gegenüber der Öffentlichkeit, erklärungspflichtig, wenn sie der Empfehlung nicht folgt.“

Die Verantwortung der Bundespolitik

Schafft eine zentrale nationale Beratungsstelle!

Deutschland braucht eine nationale Beratungsstelle zu Plagiat und wissenschaftlichem Fehlverhalten. Zu viele Fragen, bis hin zur Definition, was ein Plagiat ist, sind noch ungeklärt und werden daher von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich beantwortet. Die Berliner Informatikprofessorin Debora Weber-Wulff hat am 9. November 2011 bei einem Öffentliches Fachgespräch im Deutschen Bundestag zum Thema „Qualität wissenschaftlicher Arbeiten“ das amerikanische „Office of Research Integrity“ vorgestellt. Es ist beauftragt, über die Vermeidung von Plagiat und wissenschaftlichem Fehlverhalten aufzuklären. Es untersucht auch konkrete Fälle und unterstützt andere Institutionen dabei, ihre eigenen Untersuchungen durchzuführen. So eine Institution fehlt in Deutschland. 

„In einer solchen Beratungsstelle können auch Software-Systeme bereitgehalten werden für die punktuelle Analyse von Arbeiten bei konkretem Verdacht“, schlug Weber-Wulff vor, und weiter: Für eine Übergangszeit, bis die Hochschulen eigene tragfähige Qualitätssicherungssysteme entwickelt haben, sollten in dieser Beratungsstelle stichprobenartig Dissertationen und andere wissenschaftliche Arbeiten von allen Hochschulen und aus allen Fachrichtungen überprüft werden. Zur Dokumentation könnte ein Verfahren wie bei VroniPlag Wiki angewendet werden, um transparent über Arbeiten, die jenseits einer Schwelle an verdächtigen Stellen liegen, zu diskutieren. Diese Beratungsstelle sollte auch Kurse entwickeln, die junge Forscher und Forscherinnen über gute wissenschaftliche Praxis aufklären, und sie sollte die Hochschulen dabei unterstützen, geeignete Diskussionsarenen aufzubauen.

„Es ist wichtig, diese Beratungsstelle zentral aufzubauen, denn Fragen guter wissenschaftlicher Praxis sind übergreifend für alle Hochschulstandorte in Deutschland relevant“, sagte Weber-Wulff.

Ändert das Personalausweisgesetz!

Es sollte nicht mehr möglich sein, einen Doktorgrad in den Personalausweis einzutragen. Damit entfällt einer der wesentlichen Gründe, warum einige Personen unbedingt promovieren wollen: um mit Herr oder Frau Dr. angeredet zu werden, und den Grad auf der Visitenkarte aufzuführen. Diese Verliebtheit in (s)einen Doktorgrad gibt es sowieso nur in Deutschland und, noch verschärfter, in Österreich. 

Schafft eine Liste aller Promotionen!

Wir brauchen dringend wieder eine öffentliche Liste aller Promotionen und aller Personen, die berechtigt sind, in Deutschland einen Doktorgrad zu führen. In diese Liste sollten auch zugrundeliegende Forschungsarbeiten aufgeführt sein. Bislang können sich noch zu oft Menschen gefahrlos als „Dr.“ bezeichnen, die keinen Grad besitzen, oder diesen verloren haben.

Ändert aber nicht die Voraussetzungen des passiven Wahlrechts!

Es wäre abzulehnen, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die es jemanden verwehrt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums Ämter aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, wenn ihm ein akademischer Grad wegen bewusster Täuschung aberkannt wurde. Diese Forderung gab es nach verschiedenen „Politiker-Fällen“. Meines Erachtens sollen Wählerinnen und Wähler über die Ämtervergabe entscheiden, nicht Gerichte. 

Fazit

Die Verpflichtung, gegen Wissenschaftsplagiate vorzugehen, lastet auf vielen Schultern. Die Aufgabe kann somit nicht allein von einer Akteurin oder einem Akteur übernommen oder gar bewältigt werden.

Sowohl Hochschulen als Institution, ihre Angehörigen und die Politik müssen ihren Teil dazu beitragen, dass Forschung sauber, fair und ehrlich stattfindet. Es ist eine Aufgabe von uns allen.


[1] https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6258-0/plagiate-in-der-wissenschaft/

[2] Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft, 263-285